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G7 - die perfekte Show


Kaum jemandem dürfte entgangen sein, welch ein Hype im Vorfeld des G7 um die Sicherheit, die Kosten sowie um den Rauswurf Putins getrieben wurde. Die Anzahl der involvierten Polizisten wurde fast wöchentlich nach oben korrigiert bis deren Mannstärke mit 20.000 Beamten fast die ebenso hoch war wie die Einwohnerzahl Garmisch-Partenkirchens. Das Thema Sicherheit war auch für die anreisenden Journalisten bisweilen eine ziemliche Hürde. Im Vorfeld hatte es für einen Kollegen Ärger gegeben, weil er einen Schutzhelm im Auto bei sich hatte. Die Polizei sprach absurderweise einen Platzverweis aus und auch seine Akkreditierung zum G7 änderte daran nichts. Erst nach einigem Aufwand wurde die Schikane zurück genommen, da man ein Einsehen hatte dass ein Schutzhelm für Pressefotografen notwendige Arbeitsschutzbekleidung ist. Für alle, die sich ein wenig auskennen ist ein solches Vorgehen dies ein Merkmal für die wachsende Nervosität der Sicherheitsbehörden unmittelbar vor dem Event.

Bei meiner Ankunft in Garmisch Partenkirchen stört sich allerdings niemand an meinem Helm und keine meiner Taschen wurde durchsucht oder auch nur schief angeschaut.

Das internationale Medienzentrum in Garmisch ist eine Stadt mit 3000 Einwohnern, High Speed Internet, first Class Cusine in einem gigantischen Catering Zelt, Verleihservice für Canon und Nikon Equipment und perfekter Logistik - natürlich alles kostenfrei. Etwas vergleichbares gibt es bestenfalls beim Endspiel der Fussball WM. Auch hier : Sicherheitschecks, mehrfaches elektronisches Scannen des G7 Ausweises, Durchleuchten der Fotoausrüstung, etc.

Allein das Medienzentrum lässt im Ansatz erahnen, weswegen der G7 einen dreistelligen Millionenbetrag kostet.

Das Ganze wird rein optisch noch einmal durch die erdrückende Polizeipräsenz deutlich, welche die 4000 Teilnehmer der Auftaktdemo am Samstag kurzerhand wie Insassen eines gewaltigen Wanderkessels aussehen liess. Allerdings verteilt die Polizei auf halber Strecke Trinkwasser in Bechern an Kollegen und Demonstranten, was bei der Hitze ein wenig Linderung brachte.

Dennoch kam es am Ende der Wegstrecke zu kurzen aber heftigen Zusammenstössen zwischen Staatsmacht und Protestlern. Diese hatten aber nichts von der Qualität die man vom 1. Mai kennt oder von den Ausschreitungen und völlig sinnfreien Verwüstungen die Frankfurt am Main bei den Blockupy Protesten streckenweise aussehen ließ wie Beirut im Bürgerkrieg. Der Twitteraccount der Polizei benannte als Ursache für das Vorgehen der Polizei eine Flasche mit Benzin, die auf die Polizei geworfen wurde um sich dann ein paar Minuten später für die peinliche Falschmeldung zu entschuldigen. Also keine Molotow Cocktails und keine Böller und irgendwie auch keine wirkliche Gewalt aus Reihen der Demonstranten sondern gerade mal eine Rauchbombe sowie ein paar "Schaumstoffsteine" dafür aber gebetsmühlenartige Aufrufe von Seiten der Demo-Leitung an beide Seiten sich zu beruhigen und friedlich und gewaltfrei zu bleiben. Berichtet wird auch von einer Attacke von Seiten der Demonstranten mit einer Holzlatte gegen Polizeibeamte. Leider gab es auch den einen oder anderen hässlichen Zwischenfall der in einem Fall einem freien Fotografen nach einer Faustattacke durch einen Beamten einen Krankenhausbesuch bescherte. Unnötig und unverhältnismäßig, vor allem da der Kollege seinen Presseausweis zeigte und aufgrund der räumlichen Enge beim besten Willen keine Möglichkeit hatte dem Polizeieinsatz auszuweichen.

Da ich das Glück hatte bei einer bayerischen Familie untergebracht zu sein konnte ich aus erster Hand erfahren, wie entspannt diese aber auch andere Einheimische den Demonstranten gegenüber eingestellt waren. Obwohl ordnungsliebend, so wurden die wochenlangen Einschränkungen der eigenen Freiheit aufgrund der Sicherheitsmaßnahmen als unangenehmer wahrgenommen als die bunte Vielfalt, der G7 Gegner die sich dem Ganzen trommelnd, singend, skandierend - aber eben größtenteils gewaltfrei - entgegenstellte. Vor allem das offizielle Hickhack um die Bereitstellung einer Wiese für die Unterbringung des Protestcamps stiess bisweilen auch auf Unverständnis bei der abendlichen Couchrunde in meiner Unterkunft. "Wo sollen die denn sonst hin? " fragte meine Gastgeberin" Es ist doch viel besser alle an einem Ort zu haben als dass sie wild im Gelände campen" brachte sie das für sie wesentliche Argument auf den Punkt.

Der folgende Tag war ein Sonntag und somit der offizielle Beginn des Gipfels über den ich für die Presseagentur Demotix berichtete. Mehreren Protestierern gelang es am frühen Morgen die B2 zu blockieren, was dazu führte, dass wir Fotojournalisten mit einem Bundeswehr- Hubschrauber zum Schloss Elmau geflogen wurden um die G7 Staatschefs bei dem Familienfoto abzulichten.

Die Taz war die erste Zeitung, die den PR Effekt einer solchen Top Gun Romantik für das Pressecorps ironisch- kritisch bedachte und in Anbetracht der vielen Journalisten die mit gezücktem Handy den Helikopterflug dokumentierten ( ich war einer davon ) kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass aus der Blockade der Busroute flugs eine Tugend gemacht wurde.

Da nahm sich die Busfahrt zur Pressekonferenz am Folgetag sehr viel bodenständiger aus - ganz sprichwörtlich führte sie einem die kilometerlanger massive Polizeipräsenz vor Augen. Hätte ich die Polizeiketten entlang der Strecke nicht gesehen ( und gefilmt) hätte ich deren Ausmass nicht geglaubt.

Interessanterweise berichtete eine junge Journalistin am Abend, dass es ihr gelungen war, unbehelligt von allen Kontrollen auf öffentlichen Wegen bis nach Krün zu gelangen, exakt bis zu dem Lokal, das kurz darauf Barrack Obama ein bayerisches Willkommen und ein Glas alkoholfreies Bier präsentierte. Der Secret Service wäre gewiss not amused, hätte er davon erfahren.

Was für ein Resümee lässt sich nun aus all dem ziehen?

Die massive Polizeipräsenz hat ihren Zweck erfüllt, denn die Proteste wurden medial wahrgenommen blieben aber unter Kontrolle - keine Spur von der befürchteten massiven Randale. Auch die Kanzlerin bekam ihre Bilder. Dies geschah zum einen da der Fototermin aufgrund eines aufziehenden Gewittersturms kurzerhand um 4 Stunden vorverlegt wurde was ich nur deshalb nicht verpasste weil ich mich gegen einen Besuch der Blockierer auf der B2 entschied und mich stattdessen im Pressezentrum aufhielt. Der Gewittersturm traf hingegen die Abschlusskundgebung der Stop G7 Demo in Garmisch, zwang die Demonstranten in eine geschützte Unterführung und setzte das Protestcamp ausserhalb von Garmisch unter Wasser. Als ich am Abend die Presseabteilung der bayerischen Polizei anrief um mich nach Details zu erkundigen, erfuhr ich dass man den Demonstranten wegen des Gewitters die Turnhalle einer Schule zur Unterkunft angeboten hat.

Eine lokale Unterbringung der Demonstranten, die man im Vorfeld unbedingt verhindern wollte war nun also doch möglich? Die G7-Gegner wollten sich darauf dann aber doch nicht einlassen und lehnten die Offerte ab. Verkehrsminister Dobrindt konnte sich des Spotts nicht enthalten und verkündete dass es doch eine Leistung sei die Demonstranten „wegzuschwemmen" und dennoch eine solche Punktlandung mit dem Bilderbuchwetter für Empfang und Fotos „hinzukriegen“. Populistisches Gepolter, was ausserhalb des Stammtisch`s eher mit Kopfschütteln quittiert wurde.

Welchen Sinn macht ein G7-Gipfel?

Für mich steht es ausser Zweifel, dass jene, denen man so oft Untätigkeit angesichts der Probleme der Welt vorwirft sich treffen müssen um Lösungen zu beschliessen. Ebenso hat das Argument, dass Entscheidungen schneller fallen, wenn der Personenkreis nicht zu gross wird und potentielle Schmuddelkinder aussen vor bleiben, eine gewisse Berechtigung.

Allerdings bekommt der G7 so langsam dasselbe Problem, dass auch der UN Sicherheitsrat nach Beendigung des kalten Krieges lange hatte: Er repräsentierte nicht mehr die wahren Einflussebenen der Weltpolitik und brauchte eine Reform. Dann wären da noch die Ergebnisse des G7 die u.a. auf der Pressekonferenz der Bundeskanzlerin verkündet wurden. Diese Beschlüsse - beispielsweise zur Klimapolitik - kann man auch nach diesem G7 ohne die "Anderen" nicht wirklich umsetzen. Es wurde im Nachgang viel darüber gesprochen, dass Indien, Brasilien und eigentlich auch China und - natürlich - Russland gebraucht werden um wirkliche Veränderungen herbeizuführen. Somit wird es nötig sein, z.B. die Klimaziele mit den beiden "global Players" und weiteren Schwellenländern zu verhandeln und auch die Möglichkeit, dass eine künftigen US Regierung unter Republikanischer Führung das Ergebnis dieses G7 uminterpretiert oder verschleppt ist nicht vom Tisch.

Themen genug für den nächsten Gipfel... diesmal aber werden die Gipfelgegner nach Japan reisen müssen um dagegen zu protestieren. Christian Schnebel

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